Richter Alessandro Quattrocchi und die Rückkehr der Gesinnungsjustiz Ein Prozess, der mehr an Inquisition erinnert als an einen fairen Prozess

Trotz

  • fehlender Beweise,
  • schwerwiegender Verfahrensfehler (kein Dolmetscher, kein gewählter Verteidiger, keine Anhörung auf Augenhöhe) und

obwohl die Akte bereits die Unschuld der Angeklagten sowie die Rechtswidrigkeit

  • des Durchsuchungsbeschlusses
  • der Durchsuchung selbst
  • der darauffolgenden Festnahme
  • des Gewahrsams und
  • des verhängten Hausarrests offenlegt

Richter Alessandro Quattrocchi ordnet weder die Einstellung des Verfahrens noch – wie es Artikel 129 der italienische Strafprozessordnung vorsieht – einen sofortigen Freispruch an. Im Gegenteil: Er setzt einen Hauptprozess an.

Die Begründung?
Formal vorhanden – inhaltlich leer. Juristisch: ein Trugbild.

Richter Quattrocchi stützt sich auf die Version der Carabinieri, als wäre sie ein Beweis.

Doch diese Carabinieri sind dieselben, die

  • eine rechtswidrigen Hausarrest angeordnet haben
  • und die Betroffene ohne Rechtsgrundlage festgehalten haben.

Diese Aussagen sind nicht nur unbelegt – sie stammen von Beamten, deren Verhalten selbst Gegenstand der Strafbarkeit ist. Damit fehlt jede glaubhafte Tatsachengrundlage.

Wenn die einzige „Beweisführung“ aus der Akte jene Personen sind, die selbst gegen das Gesetz gehandelt haben, bleibt am Ende kein Tatverdacht – nur ein Machtgefälle. Und genau deshalb fällt die Argumentation von Richter Quattrocchi in sich zusammen.

Unterm Strich bleibt:
Die einzige verbleibende „Begründung“ lautet „negative Persönlichkeit“.

Ein Begriff, der:

  • nicht definiert
  • nicht belegt
  • nicht erläutert wird —

und damit ist alles gesagt:

Hier wurde nicht geprüft – hier wurde gestempelt.
Nicht gesucht, was war – sondern festgelegt, was sein soll.

Nicht Recht – sondern ein verzerrter Eindruck.
Nicht Tatsachen – sondern eine konstruierte Erzählung.
Nicht Strafjustiz – sondern Gesinnungsjustiz.

Und genau das ist der Skandal: Der Richter verwendet einen moralischen Etikettierungsbegriff – anstelle einer juristischen Analyse.

Ein fragwürdiges Menschenbild als Ersatz für Beweise

In der richterlichen Begründung heißt es wörtlich, die angeblich „negative Persönlichkeit“ der Beschuldigten rechtfertige die Maßnahme.
Das ist nicht nur juristisch unhaltbar – es ist eine alarmierende Entgleisung.

Die italienische Strafprozessordnung kennt keine Kategorie wie „negative Persönlichkeit“ als Grundlage für Zwangsmaßnahmen.
Hier wird eine vage, subjektive Zuschreibung zum Ersatz für objektive Beweise gemacht – ein gefährlicher Bruch mit rechtsstaatlichen Grundprinzipien.

Wer Strafrecht auf Persönlichkeitsurteile gründet, schafft die Unschuldsvermutung ab – und ersetzt das Gesetz durch Gesinnung.

Oder anders gesagt: Wenn „negative Persönlichkeit“ ein Haftgrund wäre, könnten wir das Strafgesetzbuch abschaffen und durch Charakterfragebögen ersetzen.

Und noch etwas ist bezeichnend: Die Bezeichnung „negativ“ beschreibt in Wahrheit keine objektive Eigenschaft – sondern eine Perspektive.

Denn „negativ“ war Evarella nur für jene, die ein Interesse an ihrer Sprachlosigkeit hatten. „Negativ“ im Sinne dieser Anklage heißt:

  • unbequem,
  • nicht steuerbar,
  • nicht käuflich,
  • eine Zeugin der Wahrheit inmitten eines Systems der Vertuschung.

Diese angeblich „negative Persönlichkeit“ ist in Wirklichkeit eine Bedrohung für jene, die sich vor öffentlicher Kontrolle fürchten.

 Was hätte ein rechtmäßiger Beschluss verlangt?

  • Eine konkrete Begründung für jede einzelne Maßnahme
  • Eine juristische Prüfung der Verfahrensfehler (fehlender Dolmetscher, unrechtmäßiger Hausarrest, Ausschluss der Verteidigung)
  • Eine Auseinandersetzung mit dem Mangel an Beweisen
  • Und vor allem: eine Definition dessen, was als „negativ“ gelten soll – anhand objektiver Kriterien

Nichts davon ist geschehen.
Stattdessen: ein Prozess auf Verdacht.
Oder schlimmer: ein Prozess auf Haltung.

Die Botschaft ist klar – und brandgefährlich:

„Wir haben keine Beweise. Aber wir glauben, dass diese Person schlecht ist.“

Das ist nicht Strafrecht – das ist Gesinnungsjustiz.

Es geht nicht um Aufklärung, sondern um Disziplinierung.
Nicht um Beweise, sondern um Einschüchterung.
Nicht um Wahrheit, sondern um Kontrolle.

Nicht die Tat wird beurteilt – sondern die Person

Was hier verhandelt wird, ist kein konkreter strafrechtlicher Vorwurf. Es ist ein moralisches Urteil über das angebliche „Wesen“ eines Menschen.

Die Maßnahme richtet sich nicht gegen eine Handlung – sondern gegen eine Haltung. Nicht gegen ein Delikt – sondern gegen eine Person, die unbequem ist.

Das ist der Kern von Gesinnungsjustiz:
Die Strafbarkeit liegt nicht mehr im, was jemand getan hat –
sondern im, wie jemand ist.

Und das bedeutet:
Das Gericht verlagert sich vom Tatgericht zum Gesinnungstribunal.
So wird aus Strafverfolgung politische Kontrolle – und aus Recht ein Instrument der Einschüchterung.