Pflichtverteidiger Di Liberti verweigert Antrag auf Gerichtsverweisung Ein Fall strukturell verweigerter Verteidigung?

Avvocato d'ufficio Salvatore di Liberti lasciando il Tribunale di Riesame di Palermo

Im Verfahren gegen die deutsche Journalistin Evarella lehnt ihr italienischer Pflichtverteidiger die Stellung eines Antrags zur Verfahrensverlegung nach Art. 11 c.p.p. ab – trotz Vollmacht, trotz Rechtsgrundlage. Die Mandantin muss selbst übernehmen. Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Funktion der Pflichtverteidigung auf.

Es ist ein Vorgang, der in seiner Form selten ist – und in seinen Folgen umso gravierender: Ein Pflichtverteidiger, bestellt zur Sicherung der Verteidigungsrechte einer Angeklagten, verweigert eine zentrale Verfahrenshandlung. Nicht etwa aus juristischen Gründen – sondern mit dem Hinweis, dies sei nicht seine Aufgabe.

Anklage durch den Richter – Verhandlung am selben Ort

Der Kontext ist bereits heikel: Vor dem Strafgericht von Termini Imerese läuft ein Verfahren gegen Evarella, in dem ein Richter – mutmaßlich Dr. Quattrocchi – anscheinend selbst Strafanzeige gegen die Angeklagte erstattet hat. Dieser zog sich später wegen möglicher Befangenheit zurück. Doch das Verfahren verblieb im selben Gerichtsbezirk. Die gesetzlich vorgesehene Konsequenz in solchen Fällen: ein Antrag auf Gerichtsverweisung an ein anderes, unparteiisches Gericht gemäß Art. 11 c.p.p.

 Der Antrag liegt vor – die Verteidigung fehlt

Ein Antrag auf Gerichtsverweisung war vorbereitet. Evarella forderte ihren Pflichtverteidiger, Avv. Salvatore Di Liberti, auf, ihn bei der Corte di Cassazione einzureichen.

Di Liberti signalisierte zunächst Zustimmung – unter der Bedingung, dass ihm eine procura speciale erteilt werde. Doch aus der geforderten Vollmacht sollte wahrscheinlich mehr werden als eine bloße Formalität: Sie hätte ihm möglicherweise weitreichende Befugnisse eingeräumt, bis hin zur Möglichkeit, eigenständig Verfahrensentscheidungen gegen den Willen der Mandantin zu treffen oder auf ihre prozessualen Rechte zu verzichten.

Evarella lehnte ab – und stellte stattdessen eine eng begrenzte Vollmacht aus, die ihn ausschließlich zur Einreichung des Antrags nach Art. 11 c.p.p. ermächtigte.

Damit war der Auftrag eindeutig. Doch anstatt zu handeln, wechselte Di Liberti abrupt den Kurs. Er erklärte nun, die Einreichung einer solchen Istanza falle nicht in die Zuständigkeit eines Pflichtverteidigers – und empfahl, sie solle sich dafür einen „Avvocato di fiducia“ suchen.

Eine Rechtfertigung ohne Grundlage

Ein Argument, das in mehrfacher Hinsicht haltlos ist. Pflicht- und Wahlverteidiger verfügen über dieselben gesetzlichen Befugnisse; die Strafprozessordnung unterscheidet nicht zwischen beiden. Noch schwerer wiegt der innere Widerspruch: Wer – wie Di Liberti – zunächst die Ausstellung einer Sondervollmacht verlangt, erkennt damit selbst an, dass die Handlung in den Bereich seines Verteidigungsmandats fällt. Der spätere Rückzug wirkt damit rechtlich unbegründet, sondern argumentativ konstruiert.

Die Folge: Evarella reichte den Antrag selbst beim Kassationsgericht ein. In ihrer Eingabe dokumentierte sie die die Auskunft der Staatsanwaltschaft Caltanissetta gemäß Modello 335 über laufende Ermittlungen und vorangegangene Korrespondenz mit dem Anwalt – darunter seine Mitteilung über den Rückzug von Richter Quattrocchi, die erteilte Vollmacht sowie den genauen Wortlaut seiner Weigerung.
Die Argumentation stützt sich auf das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) und das Recht auf wirksame Verteidigung (Art. 24 der italienischen Verfassung).

Was bleibt: Ein Antrag ohne anwaltlichen Beistand

Die Weigerung, den Antrag nach Art. 11 c.p.p. einzureichen, steht nicht für sich. Bereits in der Haftprüfung hatte Di Liberti seiner Mandantin massiv geschadet: Er verweigerte einen Dolmetscher, stellte keine Anträge und trug aktiv dazu bei, dass ihr das rechtliche Gehör entzogen wurde – ein schwerwiegender Eingriff in ihre Verteidigungsrechte.

Die Corte di Cassazione wird nun über die Verweisung des Verfahrens entscheiden. Doch eines steht schon jetzt fest: In einem Verfahren, das von Beginn an durch institutionelle Nähe belastet war, wurde Evarella die vorgesehene Verteidigung nicht verweigert, sondern gezielt entzogen – ausgerechnet durch denjenigen, der sie eigentlich hätte schützen müssen.

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